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Der Anfang, der Zauber und der Rest

Saskia Epler • 24. Januar 2021

Der Anfang, der Zauber und der Rest

Ein Setzling als Symbol für den Anfang wächst aus der Erde

Die Komfortzone

Was genau ist eigentlich die Komfortzone? Und wieso sollte man etwas derart gemütlich Klingendes überhaupt verlassen? Was ist denn außerhalb? Unkomfortables? Unsicheres? Am Ende noch Gefährliches? Wäre es da nicht schlauer zu bleiben, wo man ist?

Die Komfortzone ist jener Bereich, in dem wir uns sicher fühlen. Alles um ums herum ist uns bekannt: Die Abläufe, die Systeme, unsere Rollen darin und auch die Grenzen. Sie sichern uns. 
Und sie begrenzen. Nach außen und eben auch nach innen.

Wann haben Sie zuletzt etwas Neues gewagt?
Ein Kleidungsstück eines ganz anderen Stils gekauft? Zum ersten Mal Achterbahn gefahren? Geheiratet? Ein Kind geboren, adoptiert oder zur Pflege angenommen? Eine Patchworkfamilie gegründet? Den Job gekündigt? Eine neue Ausbildung begonnen? Eine neue Kaffeesorte gekostet? Einen Sprung vom Turm in's Wasser gewagt? Nein gesagt? Hilfe angenommen?

Diese Aufzählung zeigt bereits: Etwas Neues kann unterschiedlich groß, klein oder intensiv sein.
Alle Beispiele bringen etwas mit sich, das uns ganz und gar nicht gefallen will: 
Ungewissheit.
Und gerne auch Sorgen, Kosten, Schmerz, Konflikte, Einbußen, Selbstrücknahme ...

Die Sicherheit - mit Sicherheit zweischneidig!
Gerne leben wir Menschen in unserer sicheren kleinen Hütte, umgeben von einem sicheren Zäunchen. Im Kamin lodert ein warmes Feuer, wir sitzen in einem gemütlichen Sessel. Stellen Sie sich dies ruhig einmal genau so vor!
Sie sitzen in diesem solide gebauten Häuschen. Vor dem Fenster weht ein leichter Herbstwind. Die Fenster sind benetzt von Nieselregen. Die Nachmittagssonne will sich durch die Wolken kämpfen.
Ihre Füße strecken sich geradezu von selbst dem wärmenden Feuer entgegen. Ihr Rücken lehnt sich in das weiche Kissen. Ihre Hand spürt die Tasse mit heißem Kaffee oder Tee, die Sie halten.
Ihr Tagwerk ist getan, die Ruhe wohlverdient. In den nächsten Tagen haben Sie frei.
Sie atmen tief ein und mit einem Seufzer wieder aus. 
Herrlich.
Und nun stellen Sie sich vor, es klopft jemand an Ihre Tür. Sie wissen, er möchte Ihnen erneut etwas anbieten: Sie sollen ihn doch unbedingt auf eine Überraschungsreise begleiten. Es soll an einen Strand gehen. Irgendwo auf der Welt. Getanzt soll dort werden - die Musik lebendig und rhythmisch sein. Es werden Drinks serviert werden und es stehen allerhand Besichtigungen auf dem Urlaubsprogramm. Ihr Besucher oder ihre Besucherin möchte unbedingt von Ihnen begleitet werden, weil er oder sie weiß, wie gut ihnen das tun wird.
Wie fühlt es sich an, nun die Tasse abzustellen und aufzuspringen? Den Besuch hineinbitten, sich zu besprechen. Eine Liste anfertigen mit allem, das Sie mitnehmen wollen, Taschen packen, für Proviant sorgen, jemanden zum Blumen gießen organisieren ...

Die wenigsten von uns rufen nun innerlich: "Endlich! Auf geht's!"

Wieso eigentlich nicht?
Weil wir lieber in den bleiben, was wir kennen. Und dabei ist es wirklich einerlei, ob dies aufregend oder langweilig ist. Ob es uns geistig oder emotional anregt oder eher anödet. Wir nehmen, was wir kennen und halten es fest wie der Drache seinen Schatz.
Und da hockt dieses Wesen gern mal ein paar Hundert Jahre alleine in einer dunklen Höhle auf diesem Goldberg. Oder scheut keine Mühe, diesen auf unsensible Art zu verteidigen.
Ein Teeservice steht im Vordergrund eines gemütlichen Kaminfeuers

Was erwartet mich denn da draußen?

Außerhalb unserer Komfortzone erwartet uns Ungewisses. Man muss sich darauf einlassen, Fehler zu machen, Neues zu lernen und diese Ungewissheit auszuhalten.
Es lohnt sich jedoch!
All das Anregende und Besondere, all jene Erfahrungen - das möchte erlebt werden. Wie oft denken wir:
"Och, eigentlich habe ich keine Lust, auf diese Party zu gehen ..." und als wir uns überwanden, da trafen wir alte Freunde oder lernten neue Menschen kennen! Es war letztlich doch schön, sich überwunden zu haben. Der letzte Satz gilt übrigens auch für Sport ...

Wir Menschen sind recht widersprüchliche Wesen
Wir lieben die Sicherheit aber wir machen auch gerne Erfahrungen und lernen dazu. Das gibt uns nämlich noch mehr Sicherheit, denn Wissen wappnet!
Gern bleiben wir bei all dem, das wir uns erarbeitet und in dem wir uns häuslich eingerichtet haben. Jedoch möchten wir auch allzu gern mal raus aus dem Hamsterrad, dem Vogelkäfig. 
Wir wollen die Tapeten wechseln und all das.
Dazu brauchen wir Mut und Neugier. Und von wegen: Die Neugier wurde der Katze zum Verhängnis!

Wenn wir nicht alle bereit gewesen wären, das Bekannte zu verlassen - ja, dann würden wir allesamt noch auf dem Boden herumkrabbeln! An Laufen wäre ja gar nicht zu denken. Und außer Milch und Brei hätten wir niemals etwas anderes gegessen. 
An dieser Stelle spürt man recht schnell: es ist gut, sich aufzumachen. In dem Alter und in jeder Lebensphase bereichert uns das Neue.

Also:
Auf in's Wachstum! 
Wir sind geschaffen, um die Welt zu entdecken und uns in ihr.

Ein Kleinkind erkundet einen antiken Fotoapparat

Und was hat das nun mit Psychotherapie zu tun?

Eine ganze Menge.
Denn - man mag es kaum glauben - auch in einer schmerzlichen oder belastenden Situation kann man es sich komfortabel einrichten. Und an dieser Stelle werde ich auch etwas ernster:
Manchmal gibt es Situationen, in denen wir nicht glücklich sind. Dies kann die Beziehung sein, der Umgang mit sich selbst oder auch der Beruf.
Doch erscheint uns dieses Unangenehme in all seiner sicheren Bekanntheit angenehmer als das Unbekannte, das wir herbeisehnen.
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