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Erleben statt erleiden

Saskia Epler • 26. August 2022

Von gewohnten Mustern zum selbstbestimmten Gestalten

Wir alle leben in ganz individuellen Mustern:

Unsere Wahrnehmung alltäglicher und besonderer Lebenssituationen unterliegt Mustern. Unser Blick auf die Mitmenschen folgt den Mustern unserer Erfahrungen mit ihnen. Unsere Selbstwahrnehmung basiert ebenfalls aus erlernten Mustern - von kleinauf erhielten wir Kommentare, Bewertungen und Beurteilungen unserer Person sowie unseres Verhaltens. Viele davon übernahmen wir ohne sie zu überprüfen - weil wir lernten, uns selbst stets verbessern zu müssen.


Unsere Reaktionen auf andere Menschen und auf Situationen entsteht auf Grund unserer Wahrnehmung.

Meist nehmen wir unsere Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster gar nicht bewusst wahr. Sie laufen einfach ab wie Programme.

Und dabei sind sie nicht immer gut für uns. Und mitunter auch nicht unbedingt für unser Umfeld.

Manchmal haben wir ein schädliches Selbstbild wie zum Beispiel: "Ich bin das Opfer anderer" oder "Ich bin nicht  gut genug". Mit dieser Wahrnehmung begegnen wir unseren Mitmenschen. Aus diesen Bildern heraus nehmen wir wahr, was man uns sagt oder wie man sich uns gegenüber verhält. Wir tragen also eine Art Brille. Diese bestimmt letztlich, wie wir die Welt sehen. Und uns innerhalb dieser Welt.

Dadurch kann großes Leid entstehen. Teil einer therapeutischen Unterstützung ist es, diese Muster zu betrachten, ihren Ursprung zu begreifen und ihre Auswirkungen auf das bisherige Leben zu verarbeiten. Dabei können sie in etwas Gesundes und Gutes umgewandelt werden.

"Erleben statt erleiden" bedeutet, hinterfragen zu können, warum passiert, was eben passiert und zugleich, wieso man sich in der bestimmten Situation fühlt, wie man es eben nun einmal tut. Dadurch erhält man die Möglichkeit, sich bewusst anders zu entscheiden und sich entsprechend anders zu verhalten.


Hierbei können verschiedene Methoden zum Einsatz kommen, durch die jene individuelle Wahrnehmung und resultierendes Verhalten analysiert, verstanden und eben auch verändert werden kann. Natürlich ist es gut, sich selbst zu hinterfragen und beispielsweise belastende Situationen zu hinterfragen: "Was genau macht mich wütend?" wäre hierbei bestimmt eine hilfreiche Frage. Leider aber ist es oft so, dass ein Gefühl ein anderes überdeckt. Das erste aufkommende Gefühl ("Primärgefühl") ist für die Psyche dann so schwer auszuhalten, dass gleich ein anderes - gegensätzliches - losgelöst wird ("Sekundärgefühl"), dieses zieht dann ein Verhalten nach sich.

Beispiel: Jemand sagt etwas, das uns - ganz subjektiv - abwertet und zurücksetzt. Dies verletzt und erzeugt ein Gefühl von Kleinheit, Hilflosigkeit und vielleicht auch Angst. Schwer auszuhalten. Also kommt die Wut zur Hilfe und bringt uns vielleicht dazu, ein bisschen auszuflippen. "Halt deinen Mund! Du hast doch keine Ahnung! Was fällt dir eigentlich ein?"


Um sich zu analysieren wiederum ist Mut erforderlich und ein weiterer, sehr wichtiger Aspekt: Selbstakzeptanz. Denn wenn wir - wie im Beispiel - uns nicht leiden können, wenn wir uns klein, hilflos und ängstlich fühlen, werden wir wohl kaum unsere treffende Analyse akzeptieren. Also finden wir Abwehrstrategien wie: "Der Typ war aber auch wirklich blöd! Was fiel dem denn auch ein?". Diese Abwehr rettet uns für den Moment. Hält uns aber letztlich im alten Muster.


Zusammengefasst kann man also sagen: Um zu heilen, zu reifen und innerlich zu wachsen bedarf es an Selbstakzeptanz und Mut. Dann wiederum benötigen wir mutige Ansätze zu Selbstanalysen. In diesen kann es schließlich zu Rückschauen kommen: "Ich glaube, ich fühle mich in diesem Moment zu klein und unwichtig, weil 'der Typ da vor mir' sich irgendwie wie mein Vater verhält und ich mich als Kind in solchen Situationen immer so hilflos gefühlt habe."

Nun kann man sich bewusst machen, dass man nicht mehr das Kind ist, welches ängstlich vor dem Vater steht. Als erwachsener Mensch wiederum hat man ja in der Gegenwart die Möglichkeit, sich zu wehren, seine Bedürfnisse umzusetzen und sich zu schützen. Wenn da nicht die kindlichen Ängste wären, die immer noch ziemlich mächtig in uns säßen ...


Diese zu bearbeiten ist der nächste Schritt, um die einstigen Erfahrungen umzubewerten und ein neues Verhalten und Empfinden zu ermöglichen.

Manchmal gelingt dies mit Unterstützung von Freund*innen, Partner*innen oder anderen nahen Menschen. Oft ist es aber auch einfach zu schwierig, komplex, beängstigend und es fehlt an Orientierung. Dann ist es Zeit für fachliche Unterstützung. Wenn Sie das Gefühl haben, festzustecken oder einfach nur mehr über sich erfahren zu wollen, damit alter Schmerz losgelassen werden kann, dann suchen Sie den Kontakt zu einem*r Therapeut*in.


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Was genau ist eigentlich die Komfortzone? Und wieso sollte man etwas derart gemütlich Klingendes überhaupt verlassen? Was ist denn außerhalb? Unkomfortables? Unsicheres? Am Ende noch Gefährliches? Wäre es da nicht schlauer zu bleiben, wo man ist? Die Komfortzone ist jener Bereich, in dem wir uns sicher fühlen. Alles um ums herum ist uns bekannt: Die Abläufe, die Systeme, unsere Rollen darin und auch die Grenzen. Sie sichern uns. Und sie begrenzen. Nach außen und eben auch nach innen. Wann haben Sie zuletzt etwas Neues gewagt? Ein Kleidungsstück eines ganz anderen Stils gekauft? Zum ersten Mal Achterbahn gefahren? Geheiratet? Ein Kind geboren, adoptiert oder zur Pflege angenommen? Eine Patchworkfamilie gegründet? Den Job gekündigt? Eine neue Ausbildung begonnen? Eine neue Kaffeesorte gekostet? Einen Sprung vom Turm in's Wasser gewagt? Nein gesagt? Hilfe angenommen? Diese Aufzählung zeigt bereits: Etwas Neues kann unterschiedlich groß, klein oder intensiv sein. Alle Beispiele bringen etwas mit sich, das uns ganz und gar nicht gefallen will: Ungewissheit. Und gerne auch Sorgen, Kosten, Schmerz, Konflikte, Einbußen, Selbstrücknahme ... Die Sicherheit - mit Sicherheit zweischneidig! Gerne leben wir Menschen in unserer sicheren kleinen Hütte, umgeben von einem sicheren Zäunchen. Im Kamin lodert ein warmes Feuer, wir sitzen in einem gemütlichen Sessel. Stellen Sie sich dies ruhig einmal genau so vor! Sie sitzen in diesem solide gebauten Häuschen. Vor dem Fenster weht ein leichter Herbstwind. Die Fenster sind benetzt von Nieselregen. Die Nachmittagssonne will sich durch die Wolken kämpfen. Ihre Füße strecken sich geradezu von selbst dem wärmenden Feuer entgegen. Ihr Rücken lehnt sich in das weiche Kissen. Ihre Hand spürt die Tasse mit heißem Kaffee oder Tee, die Sie halten. Ihr Tagwerk ist getan, die Ruhe wohlverdient. In den nächsten Tagen haben Sie frei. Sie atmen tief ein und mit einem Seufzer wieder aus. Herrlich. Und nun stellen Sie sich vor, es klopft jemand an Ihre Tür. Sie wissen, er möchte Ihnen erneut etwas anbieten: Sie sollen ihn doch unbedingt auf eine Überraschungsreise begleiten. Es soll an einen Strand gehen. Irgendwo auf der Welt. Getanzt soll dort werden - die Musik lebendig und rhythmisch sein. Es werden Drinks serviert werden und es stehen allerhand Besichtigungen auf dem Urlaubsprogramm. Ihr Besucher oder ihre Besucherin möchte unbedingt von Ihnen begleitet werden, weil er oder sie weiß, wie gut ihnen das tun wird. Wie fühlt es sich an, nun die Tasse abzustellen und aufzuspringen? Den Besuch hineinbitten, sich zu besprechen. Eine Liste anfertigen mit allem, das Sie mitnehmen wollen, Taschen packen, für Proviant sorgen, jemanden zum Blumen gießen organisieren ... Die wenigsten von uns rufen nun innerlich: "Endlich! Auf geht's!" Wieso eigentlich nicht? Weil wir lieber in den bleiben, was wir kennen. Und dabei ist es wirklich einerlei, ob dies aufregend oder langweilig ist. Ob es uns geistig oder emotional anregt oder eher anödet. Wir nehmen, was wir kennen und halten es fest wie der Drache seinen Schatz. Und da hockt dieses Wesen gern mal ein paar Hundert Jahre alleine in einer dunklen Höhle auf diesem Goldberg. Oder scheut keine Mühe, diesen auf unsensible Art zu verteidigen.
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